Freitag, 4. Juni 2021

Zur Entscheidung des BVerfG bei der Einwilligung zur Corona-Impfung - Kommentar

Die nachfolgende Anmerkung bezieht sich auf diese Entscheidung des BVerfG:

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/05/rk20210531_1bvr121121.html


Da wir eine Pandemiesituation mit einer potenziell tödlichen Erkrankung haben- und das RKI dringend die Impfung empfiehlt, sind an die Nicht-Einwilligung eines Betreuers (und genauso des Bevollmächtigten) hohe Hürden geknüpft.

Natürlich kann jeder einwilligungsfähige Mensch für sich selbst die Impfung verweigern - solange keine gesetzliche Impfpflicht besteht. Man muss sich aber über die potentiellen Folgen im Klaren sein.

Für den Vertreter - der ja eh nur für einwilligungsunfähige Personen entscheiden kann (jedenfalls sind ja auch die üblichen Vorsorgevollmachten so auszulegen), heißt das:

- gibt es eine EINDEUTIGE frühere Willensäußerung iSd § 1901a BGB des früher noch einwilligungsfähigen Betroffenen, insbes. eine Patientenverfügung (die die Impfung weiterhin ausschließt) und offenbar auch kein Meinungswandel eingetreten ist? Dann ist der Vertreter weiterhin daran gebunden, auch wenn das für den Betroffenen jetzt Gesundheitsgefahren birgt (und evtl auch Zwangsmaßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz),

- gibt es das nicht, könnte nur noch eine eindeutige ärztliche Kontraindikation, die im Rahmen der Impfaufklärung (§ 630e BGB) erkannt wird, gegen die Impfung sprechen. In solchen Fällen braucht der Vertreter aber gar nicht entscheiden, weil es dann gar kein Impfangebot gibt.

- gibt es auch keine solche Kontraindikation, kann die Stellvertreterentscheidung doch nur auf ja lauten. Alles was anders wäre, kann doch dann nur persönliche Fehldeutung des Vertreters im Sinne einer Verschwörungstheorie sein. Und eben pflichtwidrig und ein Grund zur Entlassung jedenfalls eines Betreuers wegen Nichteignung. Das hat ja das BVerfG dankenswerterweise klargestellt. Für den Bevollmächtigten müsste das dann konsequenterweise einen Vollmachtswiderruf durch einen zu bestellenden Kontrollbetreuer rechtfertigen.

Es bleibt noch eine Fallgestaltung: die indifferente Äußerung des Betroffenen selbst bei Unklarheit über dessen Einwilligungsfähigkeit. In diesem Falle (wenn sich also Vertreter und Arzt bei dem Gespräch nach § 1901b BGB  uneinig sind, wie sie diese Äußerungen zu bewerten haben), ist zwingend das Betreuungsgericht nach § 1904 Abs. 2 BGB anzurufen.

Wenn das Gericht dabei entscheidet, dass kein Betroffenenwille der Impfung entgegensteht, heißt das, dass der Vertreter die Einwilligung erteilen MUSS (Ermessensreduzierung auf Null). Das kann auch bei Betreuern mit einer Gebotsweisung nach § 1837 Abs. 2 BGB oder einem Betreuerwechsel wegen Nichteignung des bisherigen Betreuers (§ 1901b Abs. 1 BGB) durchgesetzt werden kann. Und bei Bevollmächtigten halt durch einen Vollmachtswiderruf und nachträgliche Betreuerbestellung.