Samstag, 14. Dezember 2019

BGH: Keine Kontrollbetreuung gegen den freien Willen des Betroffenen

Eine Kontrollbetreuung kann nicht gegen den freien Willen des Betroffenen angeordnet werden (BGH, Beschluss vom 05.06.2019 - XII ZB 58/19).

Kann man einen Bevollmächtigten "abschießen", wenn er einen Vergleich anficht und den Richtern dadurch mehr Arbeit beschert? Der Betroffene litt an einem psychoorganischen Hirnsyndrom mit einer mittelgradigen dementiellen Entwicklung. Er wurde als Erbe seiner Schwester auf Rückzahlung von Sozialleistungen verklagt. In diesem Verfahren wurde ein Vergleich geschlossen, durch den der Betroffene "raus" war. Dafür trat er aber seine möglichen Ansprüche gegen seinen Vorsorgebevollmächtigten ab. Der Vorsorgebevollmächtigte focht den Vergleich an, so dass das Verfahren beim Gericht fortgeführt werden musste. Das Gericht regte daher die Bestellung eines Kontrollbetreuers an.

Das Amtsgericht kam diesem Wunsch nach. Das Landgericht bestätigte die Entscheidung. Dabei versäumten es beide Gerichte, dem Betroffenen das Gutachten über seine Gesundheit zur Kenntnisnahme und ggf. Stellungnahme zu überlassen. Bereits aus diesem Grund konnten die Entscheidungen keinen Bestand haben.

In den Beschlüssen fanden sich keine Feststellungen darüber, ob der Betroffene noch einen freien Willen bilden konnte. Das ist ungünstig, weil es dazu die folgende gesetzliche Regelung gibt:
§ 1896 BGB Voraussetzungen
...
(1a) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.
...
Also konnten die Beschlüsse auch deshalb nicht in der Welt bleiben. Weiterhin wies der BGH darauf hin, dass er noch genauere Feststellungen benötigt, warum die Kontrollbetreuung erforderlich war und wieso sie nicht noch weiter eingeschränkt werden konnte.

Also kann man einen Bevollmächtigten nur dann über eine Kontrollbetreuung "abschießen", wenn der Betroffene keinen freien Willen mehr hat und wenn sich gut begründen lässt, warum der Bevollmächtigte den Interessen des Betroffenen zuwider handelt.

Ihr Vorsorgeanwalt hilft Ihnen gern, wenn Sie in einer ähnlichen Situation sind.

Mittwoch, 15. Mai 2019

BGH: Leiden bei unterlassenem Behandlungsabbruch ist kein Schaden


Was passiert, wenn jemand mit einer Magensonde am Leben erhalten wird, obwohl die medizinische Indikation dafür entfallen ist? In diesem Fall ist die Weiterbehandlung rechtswidrig. Führt das aber zu einem Schmerzensgeldanspruch des Patienten bzw. seiner Erben? Der Bundesgerichtshof hat diese Frage verneint (BGH, Beschluss vom 02.04.2019 - VI ZR 13/18).

Das menschliche Leben sei ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil
über seinen Wert stehe keinem Dritten zu. Deshalb verbietet es sich, das Leben - auch ein leidensbehaftetes Weiterleben - als Schaden anzusehen. Auch wenn der Patient selbst sein Leben als lebensunwert eracht, verbiete die Verfassungsordnung aller staatlichen Gewalt einschließlich
der Rechtsprechung ein solches Urteil über das Leben des betroffenen Patienten mit der
Schlussfolgerung, dieses Leben sei ein Schaden. Zudem entziehe es sich menschlicher
Erkenntnisfähigkeit, ob ein leidensbehaftetes Leben gegenüber dem Tod ein Nachteil sei.

Montag, 13. Mai 2019

Kontrollbetreuung bei Vollmachtsmissbrauch

Wenn der Vorsorgebevollmächtigte (vermeintlich) seine Vollmacht missbraucht, kann das Betreuungsgericht einen Kontrollbetreuer bestellen. Im Beschluss des BGH vom 09.05.2018 (XII ZB 413/17) hatte die Betroffene ihrem Sohn und ihrem Enkel notarielle Vorsorgevollmachten erteilt. Beide waren von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, durften also sogenannte Insichgeschäfte als Vertreter der Betroffenen mit sich selbst abschließen.

Die Betroffene war wohl schon immer großzügig gegenüber ihrem Sohn. Nachdem die Betroffene geschäftsunfähig geworden war, setze der Sohn die Großzügigkeit mit seiner Vorsorgevollmacht fort. So gab er seiner GmbH und seiner Ehefrau Darlehen. Dabei kam es zu Ungereimtheiten, weil Darlehenszinsen nicht oder an die falsche Person gezahlt wurden. Weiterhin stellte sich die Frage, ob das Vermögen der Betroffenen noch ausreichte, um sich die Großzügigkeit gegenüber dem Sohn zu leisten. Der BGH entschied daher, dass in diesem Fall ein Kontrollbetreuer erforderlich ist.

Dienstag, 12. Februar 2019

Vorsorgebevollmächtigter kann Erbschein beantragen

Ein Vorsorgebevollmächtigter kann einen Erbschein beantragen und die dafür erforderliche eidesstattliche Versicherung abgeben (OLG Celle, Beschluss vom 20.06.2018 - 6 W 78/18).

Manchmal ist der Erbe geschäftsunfähig und kann sich nicht mehr selbst um seine Erbschaft kümmern. Dann fällt diese Aufgabe seinem Vorsorgebevollmächtigten zu. Wenn der Vorsorgebevollmächtigte einen Erbschein benötigt, konnte ihn das bisher vor ungeahnte Probleme stellen. Der Erbscheinsantrag bedarf keiner besonderen Form. Der Erbe muss aber im Regelfall eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Das Amtsgericht Hannover war der Meinung, dass diese eidesstattliche Versicherung nicht vom Vorsorgebevollmächtigten abgegeben werden konnte. Das OLG Hamm sah das anders.

Dienstag, 29. Januar 2019

BGH: Beschwerdebefugnis des Vorsorgebevollmächtigten?

Seit viele Jahren quälen wir uns mit dem folgenden Problem herum: Der Betroffene bevollmächtigt einen Vorsorgebevollmächtigten. Das Amtsgericht bestellt trotzdem einen Betreuer. Der Betreuer widerruft die Vorsorgevollmacht. Der Vorsorgebevollmächtigte fragt sich, was er dagegen machen kann. Er kann nichts machen. Er ist rechtlos gestellt. In diesen Kontext fällt der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12.12.2018 - XII ZB 387/18. Auch in diesem Beschluss hat der BGH die Beschwerde des Vorsorgebevollmächtigten für unzulässig gehalten.

Dienstag, 15. Januar 2019

OLG Stuttgart: Finanzierungsgrundschuld ohne Erbschein möglich

Ein Vorsorgebevollmächtigter kann nach dem Tod des Vollmachtgebers eine Finanzierungsgrundschuld bewilligen, ohne dass ein Erbschein (oder sonstiger Erbnachweis) erforderlich ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.10.2018 - 8 W 311/18).

Vorsorgevollmachten gelten in der Regel über den Tod des Vollmachtgebers hinaus. Der Bevollmächtigte kann nach dem Erbfall ein Grundstück des Vollmachtgebers veräußern, ohne dass dafür ein Erbschein erforderlich ist. Die Vollmacht muss dazu lediglich von der Betreuungsbehörde beglaubigt oder vom Notar beglaubigt oder beurkundet sein. (In einigen Bundesländern gibt es weitere Ausnahmen.) Wie ist es nun aber, wenn für die Veräußerung des Grundstücks eine Finanzierungsgrundschuld nötig ist, weil der Erwerber ein Darlehen benötigt? Wenn man sich streng am Wortlaut von § 40 GBO orientiert, wäre in diesem Fall eine Voreintragung der Erben nötig. Es müsste also z.B. ein Erbschein beantragt werden, was Zeit und Geld kostet. Das OLG Stuttgart folgt der Ansicht, wonach in diesen Fällen keine Voreintragung der Erben nötig ist. Die Finanzierungsgrundschuld kann also allein mit der Vorsorgevollmacht bewilligt werden.