Ein Urteil des Landgerichts Essen vom 18.03.2013 (Az. 1 O 181/12) zeigt, wie schwierig die Situation in einem Pflegeheim sein kann. Der Heimträger hatte den Heimvertrag eines Bewohners aus wichtigem Grund gekündigt. Das Landgericht Essen gab ihm Recht.
Zwei Mitarbeiter des Heims hatten den Rollator des Bewohners vor der Zimmertür einer anderen Bewohnerin gesehen und daraufhin das Zimmer betreten. Dort fanden sie den Bewohner dabei, wie er zunächst den Arm der Bewohnerin streichelte und daraufhin deren Brust massierte. Die Bewohnerin weinte daraufhin. Der Heimträger kündigte deshalb den Heimvertrag des Bewohners. Das Landgericht Essen hielt die Kündigung nach § 12 Absatz 1 Satz 2 Nr, 3 WBVG (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz) für wirksam. Danach kann der Heimträger den Vertrag kündigen, wenn "der Verbraucher seine vertraglichen Pflichten schuldhaft so gröblich verletzt, dass dem Unternehmer die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann".
Die Beurteilung der Sachlage ist nicht einfach. Die belästigte Bewohnerin musste unbedingt vor weiteren Übergriffen geschützt werden. Das Pflegeheim war nach Ansicht des Gerichts nicht in der Lage, diesen Schutz anders als durch Entfernung des Bewohners zu realisieren. Das Pflegeheim sei offen gestaltet, so dass jeder Bewohner jedes andere Zimmer betreten könne. Es gebe auch nicht ausreichend Personal, um eine ständige Überwachung sicherzustellen.
Auf der anderen Seite soll es sich das Pflegeheim natürlich auch nicht leicht machen und unliebsame Bewohner einfach entfernen dürfen. Insbesondere stellte sich die Frage, ob der Bewohner verstehen konnte, dass er einen sexuellen Übergriff vorgenommen hatte. Dies bejahte das Gericht, weil der Bewohner versucht habe, sein Verhalten zu verdecken und eine Meldung durch das Personal zu unterbinden.
Die Vertreter des Bewohners machten geltend, dass die Ehefrau des Bewohners ebenfalls in dem Pflegeheim untergebracht sei und dass der Umzug des Bewohners auch aufgrund seines Alters für ihn schwierig sei. Das Landgericht Essen sah diese Belange auch als schützenswert an, gab jedoch dem Interesse der belästigten Bewohnerin den Vorrang.
Schwierig wird der Fall allerdings bei einer letzten Abwägung, die das Landgericht Essen treffen musste. Während des Prozesses hatte der Bewohner weiterhin in dem Heim gewohnt. Er hatte in dieser Zeit zu der belästigten Bewohnerin stets einen besonders großen Abstand gehalten. Eigentlich waren weitere Übergriffe damit nicht zu befürchten. Das Landgericht Essen meinte dazu nur pauschal, es sei der betroffenen Bewohnerin dennoch nicht zuzumuten, mit dem Bewohner weiterhin unter einem Dach zu leben. Das hätte näher geprüft werden müssen, insbesondere auch im Hinblick auf den konkreten Zustand der betroffenen Bewohnerin. Hier klingt das Urteil danach, dass der Richter der betroffenen Bewohnerin eine eigene Wertung untergeschoben hat.
Der Fall sollte Sie nachdenklich stimmen, wenn Sie Ihren Vorsorgebevollmächtigten auswählen. Ist Ihr Bevollmächtigter in der Lage, mit so einer schwierigen Situation umzugehen - egal auf welcher Seite des Falles? Im Zweifel können Sie ihm einen VorsorgeAnwalt als Unterstützungsbevollmächtigten zur Seite stellen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen