Dienstag, 3. November 2015

BGH: Kontrollbetreuer und Vollmachtswiderruf

Eine Kontrollbetreuung und der Aufgabenkreis zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht dürfen nur angeordnet werden, wenn sie erforderlich sind. (Und das sind sie nicht ohne weiteres.) (BGH, Beschluss vom 23.09.2015 - XII ZB 624/14).

Vorsorgevollmachten kommen in der Rechtsprechung des BGH an. Hier musste der BGH über einen Fall entscheiden, in dem innerfamiliäre Streitigkeiten mit Hilfe des Betreuungsgerichts ausgetragen werden sollten. Der BGH schob dem einen Riegel vor. Die Betroffene hatte ihrem Neffen eine notarielle Generalvollmacht erteilt. Andere Familienangehörige waren mit der Geschäftsführung des Bevollmächtigten nicht einverstanden. Sie beauftragten einen Rechtsanwalt, der die Betroffene aufsuchte und dann in ihrem Namen Einwendungen formulierte. Das Zimmer sei zu klein. Es enthalte keine persönlichen Möbel. Der Bevollmächtigte bewohne ab und an das Haus der Betroffenen, anstatt es zu vermieten. Zudem unterbinde der Bevollmächtigte den Kontakt der Betroffenen zum Rest der Familie.

Das Betreuungsgericht ordnete eine Kontrollbetreuung an und ermächtigte den Betreuer zum Widerruf der Vollmacht. Die Betroffene wandte sich dagegen mit ihrer Beschwerde zum Landgericht. Diese Beschwerde hatte keinen Erfolg. Anders sah das dann in der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof aus. Dort gewann die Betroffene.

Montag, 2. November 2015

BGH: Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch Betreuer

Der Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch einen Betreuer ist unumkehrbar. Deshalb muss dem Betreuer dieser Aufgabenbereich gesondert zugewiesen werden. Die Frage, was gilt, wenn trotzdem ein Betreuer bestellt wird und die Vollmacht widerruft, bleibt weiter unbeantwortet (BGH, Beschluss vom 28.07.2015 - XII ZB 674/14).

Der Beschluss des BGH befasste sich mit zwei Fragen. Die Betroffene hatte eine Vorsorgevollmacht erstellt. Das Betreuungsgericht bestellte einen Betreuer, der diese Vorsorgevollmacht widerrief. Dem Betreuer war aber nur der Aufgabenbereich Vermögenssorge zugewiesen worden. Der BGH entschied, dass darüber hinaus der Vollmachtswiderruf als eigene Aufgabe zugewiesen werden muss. Sonst ist der Widerruf der Vollmacht unwirksam.

Das Betreuungsgericht bestellte einen weiteren Betreuer und wies ihm die Aufgabe des Vollmachtswiderrufs ausdrücklich zu. Der Vorsorgebevollmächtigte legte dagegen im Namen des Betroffenen eine Beschwerde und danach eine Rechtsbeschwerde ein. Der BGH entschied, dass die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten im Verfahren über die Rechtsbeschwerde fortbesteht. Er konnte die Rechtsbeschwerde daher als zulässig behandeln und darüber entscheiden. Die Frage, ob der zweite Betreuer bestellt werden durfte, muss nun erneut vom Betreuungsgericht geprüft werden. Der BGH hat dazu Hinweise gegeben, die dafür sprechen, dass die Betreuerberstellung insgesamt rechtswidrig war.

Was passiert aber mit der widerrufenen Vollmacht? Diese Frage hat der BGH nicht beantwortet. Damit setzt sich ein Trauerspiel fort.

Dienstag, 29. September 2015

BGH zur Unbetreubarkeit

Die Erforderlichkeit einer Betreuung kann fehlen, wenn der Betroffene unbetreubar ist. Das darf aber nur in Ausnahmefällen angenommen werden (BGH, Beschluss vom 28.01.2015 - XII ZB 520/14).

Im Fall des Bundesgerichtshofs ging es um einen Betroffenen, der unter einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus litt. Dieser hatte auf seinen Wunsch eine Betreuerin erhalten. Die Betreuuerin strich irgendwann die Segel, weil sie mit dem Betroffenen nicht klar kam. Unter anderem hatte dieser die Umleitung seiner Post veranlasst, damit die Betreuerin diese nicht lesen konnte. Das Betreuungsgericht hob die Betreuung daraufhin auf, weil der Betroffene unbetreubar sei und die Betreuung daher nichts nütze. Der Betroffene legte dagegen Beschwerde ein. Das Landgericht wies die Beschwerde des Betroffenen zurück. Der Bundesgerichthof musste sodann über die Rechtsbeschwerde des Betroffenen entscheiden. Er hob die Entscheidung auf und verwies die Sache zurück.

Donnerstag, 3. September 2015

Zwangsbehandlung ohne Unterbringung?

Der Bundesgerichtshof hält § 1906 Absatz 3 BGB für verfassungswidrig und hat die Vorschrift daher dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (Vorlagebeschluss vom 01.07.2015 - XII ZB 89/15).

Im Fall des BGH litt die Betroffene an einer schizoaffektiven Psychose. Sie war an Krebs erkrankt. Sie erkannte nicht, dass eine Behandlung erforderlich war, um einen erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden. Die Betroffene widersprach daher der Behandlung. Die Betreuerin wollte die Betroffene für die Behandlung unterbringen lassen. Sie beantragte dazu die Genehmigung des Betreuungsgerichts. Diese wurde ihr in allen Instanzen verweigert, so dass der Fall zum BGH gelangte. Der BGH konnte nach seiner Auffassung den Fall nicht entscheiden, weil es auf § 1906 Absatz 3 BGB ankam. Diese Vorschrift ist nach Ansicht des BGH verfassungswidrig. Über diese Frage darf nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Dienstag, 7. Juli 2015

BVerfG: Kein Verzicht auf Genehmigungspflicht bei Freiheitsentziehung

Wenn ein Vorsorgebevollmächtigter in freiheitsentziehende Maßnahmen einwilligt, benötigt er hierfür die Genehmigung des Betreuungsgerichts nach § 1906 Absatz 5 BGB. Auf die Genehmigungspflicht kann der Vollmachtgeber nicht verzichten. Die Genehmigungspflicht ist verfassungsgemäß (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10.06.2015 - 2 BvR 1967/12).

Nachdem die Vollmachtgeberin bei Pflegestufe III mehfach aus einem Stuhl und aus dem Bett gefallen war, willigte der Bevollmächtigte in die Benutzung von Bettgittern und Beckengurt ein. Das Betreuungsgericht (Amtsgericht) genehmigt dies. Eigentlich wäre der Fall hier zu Ende. Dem Bevollmächtigten ging es aber scheinbar um das Prinzip. Der Fall ging daher vom Amtsgericht zum Landgericht, danach zum Bundesgerichtshof und jetzt noch zum Bundesverfassungsgericht. Der Bevollmächtigte wollte festgestellt haben, dass das Betreuungsgericht gar nicht erst darüber entscheiden durfte, ob die freiheitsentziehenden Maßnahmen genehmigt werden. Er verlor in allen Instanzen.

Donnerstag, 4. Juni 2015

Kann jede Vorsorgevollmacht ausgehebelt werden?

Der Bundesgerichtshof entschied in seinen Beschlüssen vom 05.11.2014 (XII ZB 117/14) und vom 15.04.2015 (XII ZB 330/04), dass ein Vorsorgebevollmächtigter sich nicht dagegen wehren kann, dass ein Betreuer bestellt wird, der die Vollmacht widerruft.

Die Vorsorgevollmacht ermöglicht es dem Vollmachtgeber, seine Angelegenheiten zu regeln, ohne dass sich der Staat einmischt. Deshalb darf kein Betreuer bestellt werden, wenn es eine Vorsorgevollmacht gibt (§ 1896 Absatz 2 Satz 2 BGB). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Bevollmächtigte seine Vollmacht missbraucht. Dann kann das Gericht einen Betreuer bestellen, der die Vollmacht widerruft. - Soweit die Theorie. Was ist aber, wenn das Gericht einen Betreuer bestellt, obwohl es dafür gar keinen Grund gab? Was ist, wenn dieser Betreuer die Vollmacht widerruft? Dann ist die Vollmacht weg. Sie kann selbst dann nicht wieder aufleben, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Betreuerbestellung und der Vollmachtswiderruf rechtswidrig waren. Grund dafür ist die Regelung in § 47 FamFG. Danach bleiben die Rechtsgeschäfte des Betreuers wirksam, wenn sich die Betreuerbestellung nachträglich als rechtswidrig herausstellt.

Noch schlimmer: Der Vorsorgebevollmächtigte kann sich nicht einmal dagegen wehren, dass ein Betreuer bestellt wird. Mag die Betreuerbestellung noch so rechtswidrig sein. Eine Beschwerde des Vorsorgebevollmächtigten ist nach der aktuellen Rechtsprechung unzulässig.

Sonntag, 19. April 2015

Bank muss Vorsorgevollmacht akzeptieren

Wenn eine Bank eine Vorsorgevollmacht nicht akzeptiert und der Kunde deshalb einen Rechtsanwalt beauftragt, dann muss die Bank die Anwaltskosten als Schadensersatz ersetzen (LG Detmold, Urteil vom 14.01.2015 - 10 S 110/14).

Banken mögen Bankvollmachten auf bankeigenen Formularen. Sie tun sich regelmäßig schwer damit, Vorsorgevollmachten zu akzeptieren, obwohl sie das müssen. In der Praxis führt dies oft dazu, dass die Bankkunden zusätzlich zu ihrer Vorsorgevollmacht noch eine Bankvollmacht auf dem Bankformular erteilen.

Im Fall des LG Detmold war dies aber nicht mehr möglich. Die Bank akzeptierte die Vorsorgevollmacht nicht. Der Kunde beauftragte deshalb einen Rechtsanwalt, der die Bank dazu brachte, die Vorsorgevollmacht zu akzeptieren. Die Bank weigerte sich jedoch, die Kosten für den Rechtsanwalt zu tragen. Das Landgericht Detmold entschied, dass die Bank die Kosten tragen muss, weil sie die Vorsorgevollmacht rechtswidrig nicht akzeptiert hatte.

Mittwoch, 15. April 2015

Erbunwürdigkeit durch Beendigung der künstlichen Ernährung

Wer die PEG-Sonde seines Ehegatten abschneidet, ist erbunwürdig (BGH, Urteil vom 11.03.2015 - IV ZR 400/14).

Die Erblasserin war seit 1997 an Alzheimer erkrankt. Seit 2002 befand sie sich in einem Alten- und Pflegeheim. Seit 2003 wurde die Erblasserin künstlich über eine PEG-Sonde (Magensonde) ernährt. Sie verließ das Krankenzimmer nicht mehr. Eine Kommunikation mit der Erblasserin war nicht mehr möglich. Der Ehemann der Erblasserin schnitt im Jahr 2012 den Verbindungsschlauch zur Magensonde ab, um die Erblasserin zu töten. Der Tötungsversuch misslang, weil das Pflegepersonal die Verbindung reparierte. Der Ehemann der Erblasserin wurde wegen versuchten Totschlags in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt.

Im Fall des Bundesgerichtshofs ging es nun darum, ob der Ehemann der Erblasserin aufgrund seiner Tat erbunwürdig ist. Das Oberlandesgericht hatte das noch verneint. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zurück.

Mittwoch, 18. Februar 2015

Falle: Rechnungslegung

Eine Vorsorgevollmacht ist wichtig, um die Angelegenheiten des Vollmachtgebers regeln zu können. Die Vorsorgevollmacht kann für den Bevollmächtigten aber zur Falle werden, wenn die Ausgestaltung des Grundverhältnisses fehlt.

Vorsorgevollmachten sind weit verbreitet. Oft hilft der Bevollmächtigte seinem Ehegatten oder seinen Eltern, in vielen Fällen auch unentgeltlich. Das böse Erwachen kommt meist nach dem Tod des Vollmachtgebers, wenn dessen Erben die Rechnungslegung für sämtliche Geschäfte verlangen, die der Bevollmächtigte mit der Vollmacht getätigt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt können Jahre vergangen sein. Viele Bevollmächtigte haben die Belege für die täglichen Einkäufe weggeworfen.

Diese Fälle gehen für den Bevollmächtigten meist nicht gut aus. Wenn nichts anderes geregelt ist, muss der Bevollmächtigte nach §§ 666, 259 BGB Rechenschaft über seine gesamte Auftragsführung ablegen. Das ist zunächst mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Je nachdem, wie die Rechnungslegung aussieht, kann es aber noch schlimmer werden. Als nächstes werden die Erben vom Bevollmächtigten die Rückzahlung von Beträgen verlangen, die er vereinnahmt hat.

Mittwoch, 14. Januar 2015

Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen

Der Bundesgerichtshof musste sich im Beschluss vom 17.09.2014 - XII ZB 202/13 - mit dem Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen für eine Patientin beschäftigen, die im Wachkoma lag.

Der Ehemann und die Tochter der Patientin waren deren gesetzliche Betreuer. Sie gelangten zu dem Schluss, dass der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen dem Willen ihrer Ehefrau und Mutter entsprochen hätte. Diese konnte sich selbst nicht mehr äußern, da sie im Wachkoma lag. Scheinbar gelangte auch die Ärztin zu diesem Schluss, wenn auch nicht sofort. Trotzdem zog sich das Verfahren vom Amtsgericht Stollberg über das Landgericht Chemnitz bis zum Bundesgerichtshof hin.

Der Bundesgerichtshof entschied im Ergebnis zu Gunsten der Patientin, musste das Verfahren aber an die Vorinstanz zurückverweisen. Beachtenswert sind Ausführungen des BGH zu der Frage, warum er überhaupt entscheiden durfte. Nach dem Gesetzewortlaut durfte er es nicht.

Samstag, 3. Januar 2015

Transmortale Vollmachten sind grundbuchtauglich

Die meisten Vorsorgevollmachten gelten über den Tod des Vollmachtgebers hinaus. Sie sind transmortal. Der Bevollmächtigte kann diese Vollmachten benutzen, um nach dem Tod des Vollmachtgebers ein Grundstück zu übertragen. Dazu ist kein Erbschein nötig (§ 40 Absatz 1 GBO). Bei den Grundbuchämtern hat sich das noch nicht überall herumgesprochen. Dies belegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts München vom 21.07.2014 - 34 Wx 259/14 - und des Oberlandesgerichts Schleswig vom 15.07.2014 - 2 W 48/14. In beiden Fällen mussten die Oberlandesgerichte dem Grundbuchamt erklären, dass die Grundstücksübertragung durch den Bevollmächtigten wirksam ist. Allerdings ist auch die Missbrauchsgefahr nicht zu unterschätzen.